Artikel der Märkische Allgemeinen Zeitung

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19.07.2007

Kunst bewegt sich
Auf 600 Kilometern weist Kugelläufer auf "Innere Balance" hin

YVETTE VON GIERKE

BORKHEIDE Die Kugel geben wollte sich Arnd Drossel vor zwei Jahren nicht. Aus seiner Krise machte er aber eine runde Sache, die ihn und andere bewegt. 600 Kilometer von Berlin bis Paderborn legt der Aktionskünstler derzeit in einem Drahtball zurück. Vom Borkheider Naturbad lief er gestern über Brück bis Baitz. Heute rollt er von dort aus weiter über Belzig nach Raben.

Parallel zur Tour de France geht es für Arnd Drossel nicht um Rekorde. "Innere Balance" ist sein Thema. Der 39-Jährige hat sie aus eigener Kraft wiedergefunden, nachdem er sich fragte, wie er über die Runden kommen und seine Familie ernähren kann. "Ich wollte mich am liebsten im Keller verkriechen", beschreibt er seine damalige Verfassung. Statt dessen konstruierte er die Hülse für einen Rückzugsort. In der Kugelform mit einem Durchmesser von 2,10 Metern fügte er Edelstahlstangen zusammen. Aus den fünf Millimeter dicken Stäben entstand eine Drahtkugel mit einer verschließbaren Öffnung. Mit einem Helm testete er sein Mobil im Westfalener Safaripark Stukenbrock aus.

"Unter Löwen hat die Kugel eine Schutzfunktion", erzählt Drossel. Fußball spielen wollten die Großkatzen nicht mit ihm. Sie dachten vielmehr ans Fressen. "Sie interessierten sich sehr für meinen Fleischeimer", erzählt der dreifache Vater von der Raubtierfütterung.

Außer einer Zuflucht kann die Kugel auch ein Gefängnis darstellen, "wie eine Krankheit", erklärt Drossel den symbolischen Zweck seines Kugellaufes. Er will auf die Probleme der Menschen hinweisen, die aus dem Gleichgewicht geraten sind und speziell sozialpsychiatrische Einrichtungen ansteuern. "Erst durch das Projekt ist der Kontakt zu den Patienten entstanden", sagt Drossel. Auf den Straßen vermuten Passanten zunächst einen anderen Hintergrund. "Manche erkundigen sich, ob ich Freigänger im offenen Strafvollzug bin", verrät der Künstler.

Die meisten reagieren neugierig, zücken ihre Fotoapparate und Handys und knipsen das Phänomen. Viele halten den Daumen hoch und ermuntern zum Durchhalten. Nur eine Dame in Petzow klärte ihn unwirsch auf, dass er sich auf dem Radweg befinde, wo eine Kugel nicht hingehört. Einige wollen das Drahtgeflecht selbst ausprobieren. Über den Wannsee ging der Münsterländer jedoch allein, in Begleitung von zwei Booten der Wasserwacht. Zwischen anmontierten Katamaran-Kufen, einem Doppelrumpf, legte Drossel neun Kilometer in viereinhalb Stunden zurück. Schneller als geplant. Der Künstler schmunzelt und gibt zu verstehen: "Die Sicherheitsauflage vom Schifffahrtsamt kostete uns 100 Euro pro Stunde."

Um so mehr genoss er den Aufenthalt in Borkheide. Die Mitglieder des Naturbadvereins empfingen ihn mit offenen Armen. Drossel und sein fünfköpfiges Team, das im Versorgungswagen unterwegs ist, freuten sich über Quartier und Verpflegung. Im Gegenzug nutzen die Borkheider die Gelegenheit. Was federleicht aussieht, ist gar nicht so einfach, wie die Retter zugeben. Gut 130 Kilogramm wiegt das Gehäuse. "Man muss aufpassen, dass man mit den Füßen nicht hängen bleibt", erklärt Drossel den Anfängern. Gleichzeitig soll der Läufer auf den Weg achten. Sogar der Erfinder ist bereits gestürzt. Ein Holzpfosten am Wegesrand warf ihn aus der Bahn.

Drossel ist nichts passiert im Gegensatz zum Vehikel. Ein längerer Boxenstopp war nötig. Der Schlosser Michael Schröter besorgte Material und schweißte die Bruchstellen zusammen.

(C) Märkische Allgemeine Zeitung, 19.07.2007